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Huhu,

das Thema Verhalten kann manchmal sehr spannend sein. Am Interessantesten finde ich eigentlich immer eigene Beobachtungen, gelegentlich kommt es aber auch vor, dass mich ein Artikel oder eine Beobachtung von anderen Halter richtig fesseln kann. So geschehen in der aktuellen Rodentia (deren Titelthemen übrigens allemein sehr lesenswert sind, vor allem auch der Beitrag zu den Chins!):

Födisch, Jessica (2013): Meerschweinchen ohne Gitter. Glücklich in freier Wohnungshaltung. Rodentia, Nager & Co. 75: 19-21.

Kurz zu der Autorin, sie schreibt, dass sie vor zwei Jahren in eine Zweienhalbzimmerwohnung zog, zusammen mit ihren vier Meerschweinchen und diese seit dem Umzug frei in der Wohnung leben dürften, 24 Stunden, also ohne Einschränkung. Dazu wurde dann erst die Wohnung meerschweinchensicher gemacht (Schutz von Tapete, Kabel, Pflanzen und Co.) und auf dem Boden kam in einem Zimmer PVC, sonst Teppichboden.

Die Meerschweinchen wurden dann eingewöhnt in ihrer neuen Umgebung, wie das passierte, erläutert die Autorin wie folgt:

(Hervorhebungen von mir)

Interessant finde ich hierbei zweierlei, erstens das Verhalten auf neue Situationen und wie sich dieses mit der Gewöhnung ändert. Zweitens wie die Meerschweinchen im Alltag sich verhalten und sich in der Wohnung passende Plätzchen sich aussuchen. Dass sie dort auch ihre Ruhepausen verbringen, deutet darauf hin, dass sie sich dort wohl fühlen. Die Autorin äussert sich nämlich auch zum Thema, wo und wie sie schlafen:



Was ich auch spannend fand, war die Beschreibung der Reaktion auf Besuch:



Zum Schluss geht die Autorin noch darauf hin, wie (Mit)Menschen auf die freilaufenden Meerschweinchen reagieren, einige würden zum Beispiel zusammenzucken, wenn plötzlich ein Meerschwein vorbeihuschen... auch dieser Aspekt ist eher ungewöhnlich, haben viele Autoren in ihren Beiträgen ein eher recht enges Blickfeld, das nicht selten egozentrische und vermenschlichende Tendenzen hat...

Kurz noch zu meinen eigenen Erfahrungen:
Obwohl hier eine solche Haltung schwierig umsetzbar wäre (neue Wohnung, ungeeigneter Boden, relativ teuer...) konnte ich in Ansätzen oder in gewissen Umständen so einiges, was die Autorin beschrieb, auch beobachten. Nicht zuletzt auch durch die Aussenhaltung, wobei dort die Mensch-Tier-Bindung deutlich schwächer war, auch wenn eine gewisse Prägung auf den Futtergeber da war, so ist diese nun in Innenhaltung deutlich stärker. Allerdings, ist diese Bindung mal gut und kümmert man sich entsprechend intensiv um die Tiere, so bleibt das auch in Aussenhaltung, das konnte ich bei meinen Degus gut beobachten.

Ich gehe etwas genauer noch darauf ein im Kleinsäugerforum, hier:
http://www.degupedia.de/forum/viewtopic.php?t=3138

Diese freie Wohnungshaltung dürfte die artgerechteste Haltung für Hausmeerschweinchen sein, immerhin wurden sie vermutlich über 4000 Jahre lang so oder ähnlich gehalten - einzig die Bindung zum Menschen bildet sich normalerweise bei den in Südamerika in Wohnungshaltung gehaltenen Meerschweinchen nicht aus, da zahme Meerschweinchen bevorzugt im Kochtopf landen.

Das Verhalten bei Eingewöhnung ist vollkommen normal für Nagetiere, und nicht nur für die, sondern eigentlich für fast alle Säugetiere ... einzig das Karawanenlaufen ist typisch Meerschwein.
Egal, ob man Rennmäuse, Ratten, Stachelmäuse oder Eichhörnchen das erste mal in der Wohnung laufen läßt, sie alle bevorzugen deckungsreiche Erkundungswege. Dort, wo es keine Deckung gibt, ist die größte Deckung die Wand ... immerhin eine Seite, von der keiner angreifen kann.
Besonders ausgeprägt ist dieses Verhalten übrigens generell bei Säugetieren, welche sich stark territorial verhalten - also Hamster und Katzen beispielsweise. Wenn ein Hamster in der Wohnung freigelassen wird, rennt er erstmal die Wohnung ab, indem er immer an der Wand lang läuft und erst, wenn die Raumgrenzen samt Schlupfwinkel bekannt sind (und sicher ist, daß kein Hamster das Revier schon besetzt hat), rennt er auch quer durch die Wohnung.

Es gibt allerdings starke Unterschiede zwischen den Arten, wie lange das Explorationsverhalten zu sehen ist - so ein Hamster ist mit ner 100qm Wohnung innerhalb von ein paar Stunden durch und geht zu seinem normalen Tagesablauf über, sprichweg, er nimmt die Wohnung durch Markieren in Besitz. Meerschweinchen dagegen brauchen Tage, oft Wochen, um die Sicherheit zu haben, zum normalen Tagesgeschäft überzugehen - und das, trotzdem zumindest Hausmeerschweinchen gar nicht so territorial sind.

Ja das Eingewöhnungsverhalten ähnelt sich und ja es gibt Unterschiede, z.B. bei Degus ist das ruckartige Bewegen sehr typisch.


Woher weisst du das, bist du dich dieser Sache sicher? Ich habe mich ja mit dem Thema in letzter Zeit intensiver beschäftigt und ich konnte keinen Hinweis finden, der sowas nahe legt. Wobei einen gewissen Zusammenhang kann ich mir schon vorstellen, wenn aus einer Gruppe ein Tier herausgefangen werden soll, dann wird es wohl eines sein, das nicht schnell genug fliehen kann, andererseits wenn es gutes Fleisch geben soll, zum Beispiel in Zuchten für Restaurants usw. dürften junge Tiere gefragt sein, ebenso bei der Zucht für "Medizin"-Cuys, auch diese müssen jung sein und ich denke das ist schon seit Jahrhunderten so, zudem ist dort oft es nötig, dass die Tiere schwarz sein müssen... es gibt insofern schon auch andere Selektionskriterien, die eine Überlegung, dass der langsamste im Kochtopf landet, durchkreuzen, ganz einfach, weil die Sache dann doch ein bisschen komplexer ist, als man auf den ersten Blick denken könnte.

Ich hab diese Info von mehreren Urlaubern, die von Indios eingeladen wurden bzw sogar mit Indios befreundet waren ...

So berichtete Eine, daß wohl die Tochter der Gastfamilie ganz stolz ein superzahmes Meerschweinchen rausfing und den Besuchern zeigte und ganz stolz erzählte, zum Geburtstag wird es extra für sie geschlachtet.
Dabei war dieses Meerschweinchen wohl das einzigste Meerschweinchen dort im umfriedeten Auslauf, welches überhaupt zahm war.

Ok danke für die Info. Weiss man etwas über das Alter dieses Tieres und welches Land das war?

Apropos Verhalten, ich hatte ja das ruckartige Bewegen bei den Degus erwähnt, auf diesem Video sieht man es sehr gut:

Alter der Tochter: 9, Alter des Meerschweinchens unbekannt, soll aber sehr jung ausgesehen haben. Das Land war glaube ich Peru ...

Bueno, wahrscheinlich war es auch wirklich ein junges Tier. Es soll in den letzten Jahrzehnten auch einen Trend gegeben haben, dass mittlerweile vermehrt junge Tiere im Kochtopf landen, da sie besser schmecken. Es gab da starke Umwälzungen, unter anderem auch durch eine Modernisierung der Cuy-Zucht durch das sogenannte "scientific breeding", welches sich an wissenschaftlichen Grundlagen orientiert und es soll offenbar besser schmeckende Cuys liefern, aber auch wirtschaftlich lohnender sein, weswegen diese Art der Zucht anfänglich durch Entwicklungsprogramme gefördert und dadurch mittlerweile weite Verbreitung fand.
Sehr interessant zu diesem Thema ist das Buch von Edmundo Morales:

Morales, E. (1995): Guinea pig. Healing, food, and rituals. University of Arizona Press, Tucson (USA). 177 S.

Auch interessant:

Morales, Edmundo (1994): The Guinea Pig in the Andean Economy: From Household Animal to Market Commodity. Latin American Research Review 29(3): 129-142.
http://www.jstor.org/stable/2503945

Dem Buch von Morales habe ich übrigens im Kleinsäugerforum mehr gewidmet.

Dieses Thema finde ich auch sehr spannend!!! Ich hatte vor langer Zeit mit einer Chinchillahalterin Kontakt, die ihr Chinchilla frei in der Wohnung hielt (leider Einzelhaltung). Er nagte nichts an, deshalb ging das problemlos. Der Kontakt war leider nicht ausdauernd, so dass ich nicht mehr erfahren konnte.

Zwei meiner Freundinnen halten ihre Tiere frei in der Wohnung: Bei der einen --> vier Kaninchen, ein Streifenhörnchen und vor einiger Zeit noch zwei Katzen bzw. zuletzt nur noch eine Katze.
Bei der anderen im Moment drei Kaninchen und ein Hund.

Es ist wunderbar dort zu Besuch zu kommen, aber beide haben Probleme mit den Vermietern, weil die Tierhaltung auf diese Weise Spuren hinterlässt. Und das obwohl Beide da wirklich gut im Rennen sind, die Wohnung also pflegen.

Ich muss sie mal interviewen was für Beobachtungen sie bzgl. Besuch machen.....spannendes Thema.

Danke Anja, das ist wirklich sehr spannend, was du da geschrieben hast.
Ich dachte mir, dass das Thema auch euch interessieren könnte. Mein erster Eindruck war nämlich wirklich, dass ich zuerst dachte, das sei wieder so "Kinderkram" (jetzt etwas überspitzt ausgedrückt), dann beim genaueren Lesen war ich hin und weg, wie das Verhalten der Tiere beschrieben wurde.

Dass diese Haltungsform nicht gerade einfach sein dürfte, vor allem was die Vermieter angeht, kann ich mir lebhaft vorstellen.