Da Medo und Lino offenbar schon wunderbar alleine ihr Futter einteilen können, hab ich mit den ersten Wahlversuchen angefangen ... und weiß nicht, ob ich besorgt sein soll, oder ob Chinchillas wirklich ein anderes Futterspektrum haben wie andere Nager.
Die Verteilung der Großgruppen Frucht - Kräuter - Gras - Blätter - Knollen - Wurzel - Mehlsaaten - Ölsaaten - Insekten - Rinde stimmen in etwa mit einem vielseitigen Sämereien-Kräuterfresser aus Trockengegenden überein. Da ich vor kurzem eine nicht von mir initiierte Futterumstellung auf Trockenfutter hatte, läßt es auf die bei südamerikanischen Nagern wahrscheinlich üblichen Wechsel zwischen Frischfutterzeiten und Trockenfutterzeiten schließen. Ich hab hier etwa folgende Verteilung (ermittelt über Volumenabschätzung, nicht über Gewicht, der erste Wert ist der Wert, den ich schätzungsweise wenige Tage nach Aufnahme der Beiden hatte, der zweite Wert gibt die momentane Futterpräferenz wieder):
05% Früchte - so gut wie keine Früchte
50% Kräuter/Blattgemüse - 30% hauptsächlich getrocknete Kräuter/Blattgemüse
08% Gras/Heu - 15% Heu
05% ausschließlich frische Blätter/05% ausschließlich getrocknete Blätter
05% Knollen - 00% Knollen
00% Wurzeln - 00% Wurzeln
25% Mehlsaaten - 40% Mehlsaaten
05% Ölsaaten - 05% Ölsaaten
02% Insekten - 02% Insekten
00% Rinde - 03% Rinde
Insekten frißt nur Lino, ich konnte jedoch nicht ermitteln, was er dafür wegläßt. Als die Beiden zu mir kamen, hab ich Medo sehr viel Malvensamen (Stockmalve und Strauchmalve) fressen sehen, Linos dagegen nie. Es ist möglich, daß sich Medo selbst medikamentiert hat.
Aufgrund dieser Beobachtungen lassen sich die Verteilung der Ölsaaten und der Insekten nicht verallgemeinern, sie stimmen vermutlich nicht mit anderen Chinchillas überein. Die anderen Ergebnisse sind reine Abschätzungen und damit sehr ungenau.
Es gibt einige Besonderheiten, die ich so bei anderen Nagern nicht beobachten konnte:
- Beide lieben Trockenfrüchte, trotzdem für sie das Durchqueren des Wohnzimmers durch hohe Beutegreiferdichte (lauernder Kater und wir
) lebensgefährlich ist, wird trotzdem immer wieder versucht, in das benachbarte Zimmer zu kommen, um sich Trockenfrüchte zu ergattern. Werden Trockenfrüchte gefunden, wird bis zu einer halben Handvoll Sultaninen, eine Feige und eine halbe Dattel täglich gefressen. Es werden nur noch Sämereien und Kräuter gefressen, alles andere weggelassen.
Auch, wenn ich weiß, daß es eigentlich ungesund ist, hab ich nach ihrer eigenen Futterumstellung geschaut, ob es immer noch so ist - das Nachbarzimmer war gerade mal eine halbe Stunde offen, schon saßen Beide bei den Sultaninen und Feigen und haben sich wieder den Bauch vollgeschlagen. Selbst der Kater war nicht mehr abschreckend genug, sie in ihr Zimmer zu verjagen ... als ich eingriff, hatten sie offenbar schon mehrere Sultaninen verschnabuliert (ich hab sie nicht abgezählt) und eine Feige angeknabbert. Vermutlich hätten sie die gleiche Menge verschnabuliert, wie in den Tagen, wo sie unbeobachtet in dieses Zimmer kamen. Ausprobiert habe ich das allerdings nicht, da ein derartig hoher Konsum an getrockneten Früchten bei vielen Nagern zu Darmproblemen führt.
- Beide bevorzugen ähnlich wie Farb- und Hausmäuse große Sämereien, beide fressen gerne Weizen. Die Präferenz bei Mehlsaaten (einschließlich Buchweizen) sieht etwa wie folgt aus: Dinkel - Weizen - Emmer - Einkorn - Kamut - Buchweizen - Gerste - Nackthafer.
Roggen, ungeschälter Hafer, Reis und Wildreis wurde gar nicht angerührt - Wildreis wurde zumindest kurz probiert, aber für ungenießbar befunden.
Normalerweise wird Weizen von Nagern bei ad libitum und genügender Körnerauswahl genauso verschmäht wie Roggen. Es werden außer von Vielzitzern und Hausmäusen normalerweise Kleinsämereien bevorzugt. Wildreis und Reis wird allerdings von den meisten Nagerarten abgelehnt, Wildreis scheint sogar problematisch bis leicht giftig auf viele Nager zu wirken. Farbmäuse und Hausmäuse präferieren zwar große Sämereien, fressen jedoch sehr gemischt, wenn die Körner gleiche Größe haben. Weizen wird also nicht bevorzugt, da er genauso groß ist wie Roggen. Roggen wird nicht abgelehnt.
- Wird Apfel frisch oder getrocknet gereicht, wird der Apfel bevorzugt und nimmt 80 geschätzte Volumenprozent vom Futter ein. Birne dagegen wird genauso gern oder ungern wie andere Früchte genommen. Wenn Apfel gefressen wird, werden nur Sämereien und Kräuter aufgenommen. Dieser Effekt ist geblieben, sie fressen immerhin bei ad libitum-Frischapfelangebot ca. ein Viertel Apfel täglich über mehrere Tage! Mir ist das unheimlich, Apfel ist inzwischen rationiert, da dieser Effekt sich bei KEINER von mir ausprobierten Frucht wiederholen ließ. Kaktusfrüchte wie Pitaya und Feigenkaktus wurden zwar probiert, aber kaum beachtet. Süße Äpfel werden eindeutig bevorzugt.
- Wenn frischer Basilikum bereitsteht, wird dieser als einzigstes frisches Kraut gefressen, alle anderen Kräuter bleiben unbehelligt. Getrocknet wird Basilikum nicht angerührt - ich habe getrockneten Basilikum aus mehreren Quellen ausprobiert.
Ich vermute, daß es sich hier um eine Eßstörung handelt ... Trockenfrüchte gibt es deshalb versuchsweise bis zum Frühjahr gar nicht mehr (nicht mal mehr die berühmte Rosine zu Weihnachten), Getreide werden limitiert, Apfel ist schon limitiert. Weizen wird erstmal weggelassen. Sollte nach einem halben Jahr das Gleiche Eßverhalten sich einstellen, bin ich mit meinem Latein am Ende ... das würde nämlich heißen, daß die Trockenfrüchte, Apfel und Weizen/große Mehlsaaten ein Ersatz für irgendwas darstellen, was ihnen angeboren ist. Ich wüßte nicht, was das sein sollte. Gemeinsam sind diesen Futtermitteln eigentlich nur der hohe, leicht verfügbare Zuckergehalt und der hohe, leicht verfügbarer Stärkegehalt. Insbesondere der Eiweißgehalt von Weizen ist zudem durch den hohen Glutaminsäuregehalt im Gluten sehr unausgewogen (Merkmal des Weizenglutens, welches in jeder Weizensorte, also Hartweizen, Weichweizen, Dinkel, Emmer, Kamut und Einkorn drinsteckt).
Glutaminsäure und hoher Zucker-Stärke-Konsum sind bei Menschen mit Eßstörungen oft typisch. Beides greift in den Melatoninhaushalt ein.