Huhu,
ich hab dieses Thema irgendwie etwas vergessen, aber ich greife es nochmals hoch.
Murx hat da eigentlich schon gut beschrieben, worauf ich hinaus wollte.
Ich beschreibe es jetzt aber doch nochmals in eigenen Worten, insbesondere etwas detaillierter.
Die Studie, auf die ich mich beziehe, untersuchte das Selektionsverhalten von Säugetieren und die daraus aufgestellten Theorien. In der Einleitung geht es um Allesfresser, konkret um die Ratte, bei der die Nahrungsselektion sehr gut untersucht ist. Der Hauptteil des Artikels beschäftigt sich dann mit Herbivoren. Dabei zeigen sich Unterschiede zu Allesfressern (Ratten), welche deutlich besser giftige Pflanzen erkennen und diskriminieren können als Wiederkäuer, aber auf der anderen Seite zeigen auch Meerschweinchen Lernverhalten zur Vermeidung von giftiger Nahrung ähnlich wie Ratten. Das legt aus meiner Sicht die Vermutung nahe, dass die "hindgut fermenter", also die Tiere, welchen die Gärkammer Blinddarm dem Magen nachgeschalten ist, besser Giftpflanzen erkennen und ausselektieren können als die Wiederkäuer und daher wohl auch mehr selektiv sich ernähren.
Dann zu den Mechanismen, die bei der Nahrungsselektion spielen, welche nicht vom Lernen abhängen:
1. "Nährstoffhunger": Bei Mangel eines bestimmten Nährstoffs (z.B. Mineral) zeigen die Tiere eine Präferenz für Pflanzen/Nahrung, welche erhöhte Mengen von diesem Nährstoff enthalten.
2. Nicht gelernte Präferenzen: Es gibt einfache Muster, was als gut oder schlecht empfunden werden, die nicht gelernt werden, sondern seit der Geburt existieren, zum Beispiel dass süsse Nahrung gemocht wird (und wohl auch energiereiche, stickstoffreiche usw.) und bittere Nahrung eher abgelehnt wird.
3. Neophobie: unbekannte Nahrungsmittel werden anfänglich abgelehnt oder nur in sehr kleinen Mengen gefressen.
Beim Lernen gibt es wiederum auch verschiedene Formen, die eine Rolle spielen:
1. Assoziatives Lernen: Die Tiere verbinden Eigenschaften einer Nahrung (Geschmack, Geruch, Farbe usw.) mit der Auswirkung, welche die Nahrung auf ihre Gesundheit hat. Verursachen Toxine eine Vergiftung, werden ähnliche Nahrungsmittel ebenfalls abgelehnt.
2. Soziales Lernen: Was gefressen wird, das hängt auch von der Nahrungsauswahl der Artgenossen ab. Was Eltern oder andere Artgenossen fressen oder nicht fressen, beeinflusst die Ernährungsauswahl.
3. Prägung: Was in den ersten Tagen nach der Geburt gefressen wird, prägt die Nahrungsvorlieben der Tiere massgebend. In dieser sensiblen Phase werden wesentliche Grundsteine zur Nahrungsselektion gelegt.
Dann zur vermuteten Vorgehensweise bei Pflanzenfresser, wenn sie Nahrung selektieren. Es wird vom Autor vermutet, dass die Strategie zur Nahrungswahl sich durch die Evolution herausgebildet hat und auf einfachen Entscheidungs-Regeln basiert, eben sogenannten Daumenregeln. Das bedeutet mit anderen Worten, dass die Tiere einem komplexes Ergebnis (das optimale Modell zur Nahrungsselektion) durch einfache Regeln versuchen möglichst nahe zu kommen. Solche Regeln können beispielsweise sein, junge proteinreiche Gräser zu fressen, Stängel und alte ledrige Strauchblätter nur in sehr geringen Mengen zu fressen usw.
Die Tiere müssen also nicht genau Kenntnis haben, sondern haben vereinfachende Regeln, um komplexere Regeln möglichst identisch nachzubilden. Insofern sind wir auch wieder beim Thema Theorie und Nachbildung in der Realität, dass in der Natur eben nicht alles optimal ist, aber es gibt immer wieder Tendenzen zu einem gewissen Optimum, das mal mehr, mal weniger erreicht wird, meist durch gewisse regelnde Mechanismen kann in der Natur ein solcher theoretisch idealer Zustand mehr oder weniger eingehalten werden. Einfache Beispiele dafür gibt es viele: Fressen und Hunger Regulation, dass das Tier nicht zu viel (verfettet und unbeweglich wird) und auch nicht zu wenig frisst (verhungert), die Regulation der Körpertemperatur, Mechanismen zur Vermeidung von Überhitzung (schwitzen, Wärmevermeidung oder Wärmeableitung) oder Unterkühlung (Wärmeerzeugung, Isolation), usw.
Die besagte Quelle:
Cassini, M.H. (1994): Behavioral mechanisms of selection of diet components and their ecological implications in herbivorous mammals. Journal of Mammalogy 75(3): 733-740.
Ein guter Teil, den ich hier auch noch angesprochen habe, stammt nicht aus der obigen Quelle, kann aber entweder in einem guten Tierphysiologiebuch nachgelesen werden oder was das Selektionsverhalten bei Ratten angeht, dazu gibt es spezielle Studien, ich glaube eine der ertragreichsten ist von Freeland & Janzen (1974,
American Naturalist 108: 269-289).