Um sich über Zucht zu informieren, braucht es Jahre ...
Ich hab etwa in deinem Alter mit Zucht angefangen - aber:
Ich habe mich seit Kindesbeinen an mit Genetik, Populationsgenetik, Ethik von Zucht, Selektion, natürliche Selektionsmechanismen, Inzucht, Linienzucht, Outcrossing etc befaßt. Ich habe vorher das gesamte Zuchtbuch der Deutschen Schäferhunde nach HD abgesucht und ausgewertet, ich habe fast drei Jahre lang als Volontaire bei einer Pudelzüchterin gearbeitet, die ihrerseits sich seit Kindesbeinen mit der Zucht von Hunden beschäftigt und aus einer hundezüchtenden Familie stammt.
Ich habe schließlich mit 17 Jahren meine ersten Zwergwachteln bekommen, es kamen Goldbrüstchen, Dominikanerwitwen und Grauastrilden dazu.
Und trotzdem habe ich leichtsinnig und fahrlässig gehandelt!
Nur ca. ein halbes Jahr, nachdem ich meine ersten Vögel hatte, hab ich Zwergwachteln gezüchtet!
Ein halbes Jahr Haltungserfahrung mit einer Wirbeltierart reicht jedoch nicht aus, um tatsächlich verantwortungsvoll selektieren zu können! Was ich damals gemacht hab, war ganz großer Bockmist! Gut - das Ergebnis war, aufgrund der Leichtigkeit, mit der Zwergwachteln nachproduzieren, ein relativ gutes - aber diverse Fehler, die ich auch in der Selektion der Tiere gemacht habe, hätten nicht sein brauchen, wenn ich mich länger mit den Besonderheiten der Zwergwachteln auseinandergesetzt hätt!
Bevor ich meine ersten Kaninchen gezüchtet hab, hab ich mich eingehend vier Jahre lang intensiv mit Haltung und Genetik von Kaninchen auseinandergesetzt, vorher hab ich Wildkaninchen beobachtet (daß ich aus meinen Beobachtungen nicht die richtigen Schlüsse gezogen hatte, ist ein ganz anderes Ding). Als ich mir die Tiere holte, hatte ich mich beim Züchter rückversichert, daß ich bei Problemen und Fragen jederzeit mich an ihn wenden könnte - es war ein langjähriger, sehr erfahrener Züchter, der seine Rasse seit fast 20 Jahren als Obmann betreut hat. Auch er stammte aus einer Familie, die Geflügel und Kaninchen gezüchtet hatte, er selbst ist damit großgeworden!
Es ist einfach nicht möglich, verantwortungsvoll zu züchten, wenn man eine Tierart nur ein halbes Jahr lang hat und keine Hilfe, sei es aus der schon immer züchtenden Familie, sei es von einem Züchter, der damit aufgewachsen ist, hat. Du siehst die einfachsten Dinge nicht und machst einen Kardinalfehler nach dem andern. Meine Zwergwachtel"zucht" ist dafür ein wunderbares Beispiel!
Und auch bei dir lassen sich solche Kardinalfehler auf Anhieb finden:
1. Kardinalfehler: Du setzt ein körperlich nicht ausgereiftes Tier zu einem unerfahrenen Tier. Sowas geht überhaupt nur bei Tieren, die nicht im Familienverband leben, sondern sich alleine durchs Leben schlagen müssen - Chinchillas gehören definitiv nicht zu den Alleingängern! Das Weibchen hätte also mind. bei einer Geburt ihrer Mutter bei sein müssen, damit sie sich das abschauen kann, das Männchen hätte die Zuchtreife haben müssen, bevor es zum Weibchen gesetzt wurde. Beides wurde nicht beachtet!
Wer sowas macht, handelt leichtsinnig und sträflich!
2. Kardinalfehler: Du hast keine Ahnung von der normalen Gewichtsentwicklung bei der Trächtigkeit, vermutlich hast du auch keine Erfahrung darin, wie die Jungen normal aufwachsen, wie die Fellentwicklung zu sein hat, auf welche Kleinigkeiten beim Chinchilla geachtet werden müssen, um ungeeignete Tiere, die als ausgewachsene Tiere geeignet erscheinen, aussortieren zu können.
Ich weiß nicht, wie es beim Chinchilla ist, aber beim Kaninchen sieht man solch ungeeigneten Tiere zum Beispiel daran, wer zwischen der 3. Woche und 4. Woche einen lokalen Pilz entwickelt - solche Tiere haben eine herabgesetzte Vitalität und sind krankheitsanfälliger wie ihre Geschwister. Sie gehören nicht in die Zucht! Nach der 4. Woche sieht man gar nix mehr davon, die Tiere können als äußerst robust und vital erscheinen - wenn aber was ist, sind sie die ersten, die erkranken und die ersten, die sterben.
Nimmt man sowas mit in die Zucht, ruiniert man sich über Generationen seine Zucht, die Tiere werden immer krankheitsanfälliger und irgendwann braucht man ein steriles Labor mit Sauerstoffzelt, um seine "Zucht" weiterbetreiben zu müssen.
3. Kardinalfehler: Es gibt nur ganz seltene Ausnahmen, wo mit nicht einwandfreien Tieren gezüchtet werden darf und muß. Der erste Wurf gehört definitiv nicht dazu, die Produktion von Schautieren auch nicht. Trotzdem hast du ein Weibchen eingestellt, welches für die Art untypische weiße Zähne bekam und trennst die beiden beim ersten Anzeichen vom Ausbleichen der Zähne deines Weibchens nicht?
Das ist verantwortungslos, und wenn es von noch so vielen "Züchtern" so praktiziert wird und für gut empfunden wird! Das Weibchen ist nicht erste Wahl, also gehört es nicht in die Zucht! Du weißt doch überhaupt nicht, welche Stoffwechselstörung du da mit in die Zucht schleppst! Sowas akkumuliert sich in der Zucht, nun ist es nur ein Weibchen mit weißen Zähnen, in den nachfolgenden Generationen hast du Tiere, für die du Spezialfutter mischen mußt, um sie überhaupt am Leben zu halten! Weiterhin ist das ein überdeutliches Zeichen dafür, daß du mit einem Weibchen züchten willst, welches ein vermindertes Alter weitergibt - ist das wirklich dein Zuchtziel?
Dann, wie schauts eigentlich mit solch wichtigen Dingen aus wie Zucht- und Bestandsbuch?
Hältst du die schön brav in Ordnung?
Da kannst du nun nämlich im Bestandsbuch nachschauen, was vor zwei Monaten war, bevor sich die Zähne weiß färbten und du kannst nachschauen, was sich vor der vermutlichen leichten Gelbfärbung deiner Zähne vor zwei Monaten war ... so kommst du dann tatsächlich darauf, wo dein Fehler lag ...
(Übrigens, Streß mit einem zu jungen gegengeschlechtlichen und intakten Partner zusammengesetzt zu werden, kann auch zu Stoffwechselstörungen führen, insbesondere bei solch sensiblen Tieren wie den Chinchillas!)
Zu den ganzen ethischen Sachen, die Johnny99 anführte, noch ein paar ethische Grundsätze, die wir in der Hobbyhaltung wenigstens einhalten sollten:
1. Platz, Platz, Platz - die meisten "Züchter" haben ohne Not Behältnisse für ihre Chins, die bedeutend kleiner sind, wie die Käfige bei Pelzern! Und für einen Pelzer bedeutet Platz = Geld. Wenn also ein Pelzer einen halben Quadratmeter pro Tier rechnet, kann man davon ausgehen, daß das der absolute Mindestplatz ist, der noch zu halbwegs guten Pelzergebnissen führt. Dieser Platz ist weder artgerecht noch ausreichend für eine Zucht! Es geht nur um die Kostenoptimierung!
Für den Hobbyhalter heißt das also, daß er am besten den fünffachen Platz als Mindestgröße pro Zuchttier anbietet, wenn also beim Pelzer das Chinchillapaar auf einem Quadratmeter zusammengepfercht ist, müßte es in der Hobbyhaltung mind. 5qm sein!
Stellst du den Platz zur Verfügung?
2. Wie ist das eigentlich mit den Jungen, hast du dir da schon Gedanken gemacht, wie du sie so halten willst, daß sie optimal ihre Muskeln trainieren können?
Chinchillas sind Nestflüchter, sie brauchen also aufs Alter abgestimmte Möglichkeiten des Trainings, in der ersten Zeit hauptsächlich unterschiedliche Bodengründe, später irgendwann Äste, Zweige, Klettergerüste etc ...
3. Hast du jemanden an der Hand, der dir natürliche Ernährung von Chinchillas beibringen kann?
Zuchttiere sollten optimal ernährt werden, die übliche PHW-Fütterung reicht nicht aus. Gerade in der Hobbyhaltung bestehen keine Sachzwänge, möglichst kostengünstig zu produzieren, du solltest also eine natürliche Ernährung anstreben. Bringst du da wenigstens die Erfahrung mit der natürlichen Ernährung von Stopfdarmtieren, wie Meerschweinchen, Kaninchen oder Degus mit?
Chinchillas zu halten, ist eine Sache - man kann dann immer noch, wenn man sie denn schon mal hat, ihre Unterkünfte immer mehr optimieren. Das machen die meisten hier im Forum. Ich selbst halte keine Chinchillas, weil ich nicht in der Lage bin, meiner Chinchillagruppe ein akklimatisierten Chinchillaraum von mind. 20qm mit Draußenvoliere zu bieten - dies ist meiner Meinung nach die Mindestvorraussetzung, um Chinchillas halten zu können (Halten! Nicht züchten!). Solange ich das meinen Chins nicht bieten kann, werde ich mir weiterhin hier im Forum Chinchillabilder ansehen - ich hätte zwar liebend gerne son paar kleine Wollmonster, aber eben nicht bei meinen jetzigen Wohnverhältnissen! Das bin ich meiner Meinung nach einfach Mucki schuldig, den meine Mutter damals aus der Zucht meines Opas "gerettet" und mit Hand aufgezogen hatte - er mußte in einem strukturieren 80cm x 80cm x 90cm Käfig alleine ausharren - seine ganzen über 20 Jahre lang!
So, vergleich noch mal möglichst objektiv das, was ich hier geschrieben hab, mit deinen Vorraussetzungen ... hältst du dich immer noch für gut informiert? - Dann mach halt dein Ding, probieren geht über studieren, auch wenn es leider in deinem Fall ein Spielen mit artfremden Lebewesen ist.
_________________ Marx ist die Theorie
Murx ist die Praxis!
zum Thema Chinforen: Da muasch drieberschdeiga end derfsch di ned drum bucka
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