So, jetzt aber.
Wir können da doch verlinken, oder?

Die Diskussion in der diese Frage aufgeworfen wurde finde ich durchaus interessant, auch wenn einiges da wieder ins alte Muster verläuft:
http://chinchillaschutz.forumieren.com/ ... t-biologinErst mal, auch ich bin der Meinung, dass man nicht zu viel auf Titel geben soll... ein Biologe kann durchaus auch sehr gut in seinem Gebiet sein, das ist dann aber in der Regel relativ eng gesteckt, will heissen sein eigenes Forschungsgebiet und das sind dann entweder Chytridpilze, Kommunikation von bestimmten Insekten, strategische Partnerschaften zwischen Pflanzen und Insekten usw. die Leute, welche an Chinchillas selber geforscht haben sind nicht gerade viele und zumeist keine Europäer. Unter ihnen sind einige Chilienen aber auch Amerikaner.
Die meisten sind also genauso Laien wie wir es sind. Unter uns sind zudem ja auch einige, die studiert haben und sich intensiv mit Chinchillas auseinander gesetzt haben. Man sollte halt seinen eigenen Kopf benutzten, statt sich auf die Meinung anderer verlassen.
Ich selber machte ja auch jahrelang den Fehler, dass ich glaubte Pellets seien für Chinchillas notwendig, weil die halt speziell seien, das obwohl ich schon lange Pellets für Degus ablehnte. Mein Problem war, ich hinterfragte die Sache nicht und hatte aber auch ganz klar zu wenig Ahnung von der Materie.
So nun aber zu den einzelnen Themen:
Selektion
Die Frage ja/nein ist müssig, weil im Prinzip müsste auch einer Biologin klar sein, dass es subtile Manipulation gibt, selbst bei Laborversuchen und sowas spielt auch im Feld. Die Frage ist m.E. daher falsch gestellt und müsste viel mehr lauten, in welchem Mass? Wenn Beutegreifer herumschwirren und damit haben die Tiere umzugehen (aber nicht nur Chinchillas, genauso Degus und die Wildkaninchen, wenn diese nicht gerade in der glücklichen Lage sind als Neozoen in Chile eine konkurrenzlose Stellung zu geniessen), dann müssen sie schnelle Entscheidungen treffen können bezüglich dem Futter, das sie zu sich nehmen. Sie können nicht wählerisch sein, das ist sicher so. Auf der anderen Seite müssen sie aber stets abwiegen. Eine Giftpflanze fressen kann vielleicht ihr Tod bedeuten, sie nicht zu fressen vielleicht nur zusätzlichen Aufwand und Hunger, dagegen eine andere Giftpflanze gibt vielleicht nur Bauchgrummeln, sättigt aber vielleicht für eine Weile und ist daher vielleicht das kleinere Übel. Entscheidungen zu treffen und Selektion ist letztlich nichts anderes als eine spezielle Form davon, ist das A und O für das Überleben in der Wildnis.
Das Problem liegt aber vielleicht auch am Begriff selber, die Selektion ist ein Teil der Nahrungsaufnahme, die nicht über das denkende Gehirn gesteuert wird, sondern intuitiv abläuft und ist letztlich auch mit Mechanismen wie Sättigungsgefühl, Appetit usw. verknüpft. Das alles hat viel mit Botenstoffe und chemische Signale zu tun, lässt sich natürlich durch verarbeitete Futtermittel manipulieren (Geschmacksverstärker z.B.).
Man sollte die Selektion vielleicht so betrachten wie die Kommunikation. Vermutlich für viele eine gut bekannte Aussage ist "man kann nicht nicht kommunizieren", anders gesagt Kommunikation findet immer statt, genau so geht es bei einem gesunden Organismus, der muss ständig filtern, sei es nun Nahrung, Informationen die er über seine Sinnesorgane aufnimmt etc.
Saaten in grösseren Mengen
Dass die nichts seien für Chins liesse sich übrigens mit Literatur belegen. Laut der Studie von Cortés und Kollegen, betrug dort der Anteil glaubs bei weniger als 1 %. Das ist aber, wie wir wissen, nur die halbe Wahrheit. In Pellets haben wir genauso Samen, wie bei naturnaher Ernährung offenbar den Samen eine deutlich wichtigere Rolle zukommt, als die genannte Studie vermuten lässt. Dennoch im Vergleich zu Degus scheinen die Chinchillas nicht so viel mit Samen anfangen zu können.
Pelletfreie Ernährung dauerhaft nicht gesund
Ich betrachte das mal als subjektives Urteil, eine Quelle für oder dagegen wird man da lange suchen müssen und wenn, das Thema ist m.E. zu subjektiv um da was konstruktives beizutragen. Aus objektiver Sicht ist es jedoch möglich mit den selben Zutaten wie in den Pellets vorhanden ist eine gleichwertige, pelletfreie Ernährung zusammenzustellen. Insofern kann man diese Aussage zumindest als undurchdacht zurückweisen, denn die Pellets sind an und für sich keine Ernährungsform, sondern nur eine Form der Verarbeitung des Futters.
Etwa ähnlich sinnvoll wäre zu behaupten, dass wir Menschen uns ohne Pet-Mineralflaschen nicht dauerhaft ohne Schaden ernähren (bzw. trinken in diesem Falle) könnten. Es gab eine Zeit vor den Petflaschen und es kommt nicht auf die Verpackung (Pet), sondern auf den Inhalt (Wasser) an. Solange dieser feine, aber wichtige Unterschied nicht gemacht wird, sind solche Diskussionen müssig und führen zu nichts.
Gärendes Frischfutter
Das scheint mir dann doch ein bisschen peinlich, denn der Gärungsprozess findet unter Luftausschluss statt. Sprich Frischfutter im Käfig gärt nicht einfach so vor sich hin, wie es lustig ist. Erst muss eine mangelhafte Belüftung vorhanden sein, dass es soweit kommen kann. Gräser und Wildkräuter, die lose im Käfig rumliegen trocknen denn auch einfach nur aus, ohne dass da etwas gären, faulen oder schimmeln müsste. Problematisch wird es, wenn es ungünstige Umgebungsbedingungen hat, z.B. kühles feuchtes Klima (begünstigt Schimmel) oder wenn das Futter an Haufen liegt, in denen dann durch Luftausschluss tatsächlich es gären kann und das Zeug sich dann im Innern erhitzt.
Kalziumgehalt
Das ist soweit richtig, im frischen Zeug ist der niedriger.
Gemüse abwaschen und Krankheiten
Dieses Thema ist stark auch ideologisch geprägt. Unsere westliche Gesellschaft ist sehr stark auf Hygiene geprägt. Das muss man natürlich auch im historischen Kontext verstehen. Es ist noch nicht allzu lange her, da haben unhygienische Bedingungen zahlreiche Todesopfer jährlich gefordert, die Zahl sank durch Hygienemassnahmen stark, Kindersterblichkeitsrate ging sehr stark zurück usw. Es gibt folglich gute Gründe auf Hygiene wert zu legen.
Auf der anderen Seite ist das Abwaschen oft auch mehr für die Beruhigung der Psyche, es ist ein Ritual, dass wir uns vorstellen, dass nun mit der reinigenden Kraft des Wassers böse Keime abgespült werden. Sicher einige können so wohl vermieden werden, anderen macht das aber gar nichts aus, einige können sich sogar noch durch das zusätzliche Wasser vermehren, auch wird dadurch nicht dem Umstand Rechnung getragen dass Keime grundsätzlich nicht so gut-schlecht sind, wie man das gerne weiss machen möchte. Es gibt letztlich in der Natur zwischen Krankheit und Host auch ein gewisses Gleichgewicht, das sich in der Regel einstellt und langfristig das Überleben von Tierpopulationen und Krankheiten oder Parasiten ermöglicht. Da wird es aber schnell dann relativ kompliziert und passt dann auch nicht mehr so recht zu unseren Hygienevorstellungen. Für einen Biologen wäre das aber ein Themengebiet, das ihn interessieren sollte, denn die ganze Ökologie dahinter ist ein zentrales und integrales Gebiet der Biologie. Dieses findet auf den unterschiedlichsten Ebenen statt: vom Kleinsten, sprich biochemisch zwischen Proteinen und anderen Molekülen bis zum Grössten dem Funktionieren von Superorganismen und Grosslebensräumen usw.
Vergleich der Ernährung mit Kaninchen und Meerschweinchen
Auch das eigentlich ein alter Hut. Die Frage die ich mir bei solchen Aussagen stelle, wie ist das gemeint oder wie soll man das auffassen?
Soll das heissen dass es zwischen den einzelnen Arten gewisse individuelle Unterschiede gibt, d.h. die Ernährung des Kaninchens wäre somit auch nicht mit dem des Meerschweinchens zu vergleichen (sprich die Sichtweise eines Splitters)?
Oder soll es heissen, dass Chinchillas einfach speziell seien und im Vergleich zu Kaninchen und Meerschweinchen einen Sonderrang einnehmen? Wenn ja, warum? Weil sie Nahrungsspezialisten sind? Dann müsste das eine plausible Unterfütterung bekommen, woher oder wie man auf so einen Schluss kommt. Oder geht es einfach allgemein darum dass Chinchillas speziell seien, dann wird es aber noch abenteuerlicher, dass ich mir die Frage nach Quellen lieber gleich spare, denn ich kenne sie schon und ja sie sind höchst seriös. Nur beitragen tun sie zu einer vernünftigen Diskussion nichts.
Davon abgesehen wurde noch ein anderes Thema angesprochen: Meerschweinchen und Samen
Das hatten wir allerdings als Thema schon im Degupedia-Forum (ist auch schon wieder einige Zeit her). Sowohl die eignenen Erfahrungen hier, aber auch was Murx erwähnte, zeigt dass man Meerschweinchen problemlos saatenfrei ernähren kann und dass eine solche Ernährung auch sinnvoll ist. Es ist zudem anzunehmen, dass in ihrer Domestikation Saaten auch kaum eine Rolle haben dürften, vielleicht ein bisschen Mais oder so, wobei Samen allgemein vermutlich lieber von den Leuten selber gegessen wurden. Auffällig ist dagegen die grosse Toleranz gegenüber rohen Kartoffeln. Das könnte durch die lange Domestikation verursacht sein, denn in den Anden werden den Tieren auch heute noch teilweise Kartoffeln verfüttert (auch das war mal Thema im Degupedia-Forum), während z.B. Degus damit wenig anfangen können.
Wieso ausgerechnet Mehlsaaten besonders viele Probleme verursachen, darüber können wir freilich nur spekulieren. Eine Vermutung wäre der Gehalt an Stärke, vielleicht liegt es aber auch an der Verwandtschaft, dass vielleicht Gräser gewisse Inhaltsstoffe in den Samen oder Samenschalen ablagern, die letztlich zum Problem werden. Die Erfahrungen lassen sich nicht leugnen, aber auf der anderen Seite ist es auch schwierig dazu eine Erklärung zu finden.