mir ist aufgefallen, beim Studium von Manuela Laabs Ratgeber "Chinchillas", dass es starke Unterschiede gibt, was die Verwendung der Transportboxmethode angeht, nur schon zum Ratgeber (und den im Internet verfügbaren Ausführungen) von Tatjana Jonca. Ich möchte hiermit einen genaueren Blick auf dieses Thema werfen.
Apropos, da leicht der Eindruck entstehen könnte, dass es bei diesem Thema nur schwarz und weiss gäbe, dem ist nicht so: Wir haben auch bei uns Threads, bei denen die Transportboxmethode verwendet wurde, jedoch eben mit Bedacht:
Transportbox - auf die "sanfte" Art (von Ulli)
bzw. mit Kleintierkäfig:
3 + 4 ergibt 6 (von Bianca)
In diesem Sinne möchte ich das Thema aufgreifen, um einen differenzierteren Blick auf das Thema zu bieten. Aus aktuellem Anlass bieten zwei Chinchilla-Ratgeber aus dem Natur und Tier-Verlag eine gute Grundlage dazu und sie unterscheiden sich bei genauerem Hinsehen durchaus.
1. Laabs, M. (2010): Chinchillas. Chinchilla lanigera. Natur und Tier-Verlag, Münster.
Der Einstieg (S. 17f.):
Der Einstieg in das Thema fängt sehr vielversprechend an, doch man wird hingehalten, ganze zwei Seiten werden mögliche Vergesellschaftungsformen ausgeklammert, doch ab Seite 19 geht es dann voll zur Sache. Als erstes erwähnt die Autorin die Transportbox-Methode, mit der die Vergesellschaftungen gemäss ihrer mehrjährigen Erfahrungen gut klappen.
Der beste Zeitpunkt (S. 18):
Der beste Zeitpunkt sei der Vormittag, da seien die Tiere vom Toben in der Nacht erschöpft, denn weniger körperliche Energie bedeute auch weniger Aggression. Damit ist das Thema in diesem dünnen Büchlein abgehandelt.
Die Box (S. 19-21):
Interessant ist, dass die Autorin erwähnt, die Box soll so gross sein, dass sich die Tiere nicht aufstellen könnten und man solle sie mit Tücher auspolstern und zuvor erst mit Essigwasser gut auswaschen, dass sie geruchsneutral sei.
Bevor es los gehe, solle man die Tiere auf den Arm nehmen (dazu brauche es ggf. einen Helfer) und sich gegenseitig beschnuppern lassen, dann geht es in die Box und die hat es in sich.
Man solle die Tiere zügig nacheinander reinsetzen und dann schlüpft der Halter in die Rolle des aktiven Beobachters, der mit Argusaugen das Geschehen beobachtet und wenn nötig eingreift.
Dabei erlaubt sei schnattern und schimpfen und es könne auch mal Fell fliegen, sollte jedoch gebissen werden, müsse umgehend getrennt werden. Man könne auch sonst leicht eingreifen, zum Beispiel bei Schimpfattacken könne man diese "durch leichtes Schwenken der Transportbox wirksam beenden" (S. 20).
Doch damit nicht genug, denn die Transportboxmethode ist bei Laabs eine langwierige Angelegenheit:
Quote:
Versorgen Sie nun die Tiere in der Box mit Futter und Wasser und spielen Sie weiterhin den stillen Beobachter - auch und besonders in der Nacht, wenn die aktive Phase beginnt. Dazu stellen Sie die Transportbox am besten neben Ihr Bett. Wer einen leichten Schlaf hat, wird aufwachen, wenn die Tiere einen Konflikt austragen. Wer tief schläft, sollte sich den Wecker in regelmässigen Abständen stellen, um kurz nach den Tieren schauen zu können. Je nach dem, wie ruhig oder unruhig die erste Nacht verlaufen ist, bleiben die Tiere noch einen oder zwei weitere Tage und Nächte in der Box oder dürfen dann in den Käfig umziehen.
Quelle: Laabs 2010, S. 20-21
Andere Methoden (S. 21-23)
Laabs geht erfreulicherweise auch auf andere Methoden ein, die man einsetzen könne, wenn man die Transportboxmethode nicht möge, darunter Freilauf (was sie jedoch nicht empfiehlt) und Käfig in Käfig (was aus ihrer Sicht eine Alternative sei), wobei sie empfiehlt die Tiere in den Käfigen täglich zu tauschen, bis sie sich vertragen würden.
2. Jonca, T. (2011): Leben mit Chinchillas. Natur und Tier-Verlag, Münster.
Der Einstieg (S. 86ff.):
Auch Jonca lässt sich einige Seiten Zeit einige grundlegende Dinge über Vergesellschaftungen zu erwähnen, geht das Thema aber methodischer an und beschreibt zuerst verschiedene Vergesellschaftungsmethoden, fünf Formen insgesamt (S. 87), welche sie dann der Reihe nach vorstellt, zuerst die aus ihrer Sicht weniger vielversprechenden, dann die Box-Methode. Was an Jonca gefällt, sie schreibt, man solle auf das Bauchgefühl vertrauen, wobei auch wichtig sei, dass man ruhig und entspannt sei und sich nicht durch Angst und eigene Unsicherheit täuschen lasse. Die Vergesellschaftung verkommt also nicht zum mathematischen Kalkül, bei dem der Mensch im Voraus plant und entscheidet, welche Tiere zusammenpassen sollen, sondern er ist Beobachter und Moderator in einem mitunter nicht einfachen Prozess, bei dem eben auch Gefühle und Eindrücke eine wichtige Rolle spielen (neben Erfahrung, Kenntnis der Tiere usw.). Und genau das ist aus meiner Sicht eine wichtige Grundvoraussetzung, um eine VG anzupacken, egal was man jetzt für die beste Methode hält (diese ist oft auch ein gutes Stück ideologisches Gepäck, vor allem dann, wenn sie eigene Erfahrungen und fehlende Sicherheit und Ruhe überdecken soll).
Der beste Zeitpunkt (S. 91):
Als bester Zeitpunkt erwähnt auch Jonca den Morgen, dann seien die Chinchillas, welche abends noch richtig munter waren und viel Energie hatten, noch müde und träge und stecken nicht mehr viel Energie in die Vertreibung des Neulings. Ausserdem sei es auch für den Halter von Vorteil, da der Mensch in der Nacht schläft und tagsüber dann aktiv sei und dann eben die Tiere besser beobachten könne.
Die Box (S. 97-99):
Vorab will ich mal bei etwas Grundlegendem anfangen, dem sich aufrichten, das Laabs beschreibt als etwas, das man unterdrücken müsse:
Quote:
Das Aufrichten voreinander und das gegenseitige Anmeckern ist ein normales Verhalten der Chinchillas. Es signalisiert Vorsicht, Unsicherheit, teilweise auch Angst, und dass ein Chinchilla sich Repsekt verschaffen möchte. Geübte Halter oder Züchter erkennen die Unterschiede, alle anderen sollten das Verhalten genau beobachten, um es einschätzen zu können.
Quelle: Jonca 2011, S. 89.
Man beachte den Unterschied, Jonca unterstreicht mit dieser Aussage die Beobachtungsgabe der Tiere und ihrem Verhalten und belässt es nicht mit den üblichen pauschalen Meinungen, die zur VG in Foren herumgeistern, was sich denn auch in der Einschätzung bei der Durchführung der Box-Methode niederschlägt:
Quote:
Früher wurde dazu geraten, die Box flach zu halten, damit die Chinchillas sich darin nicht aufrichten können, weil dies ihre Abwehrhaltung ist, die auch einen Angriff ankündigen kann. Da es für die Tiere wichtig ist, dass sie ihren natürlichen Bewegungen nachgehen können, weil man nur so ihr Verhalten genau einschätzen kann, sollten Boxen bzw. Transportkäfige genutzt werden, die dieses Verhalten ermöglichen.
Quelle: Ebenda, S. 98
(Hervorhebung von mir)
Anschliessend weist Jonca auf die Wichtigkeit hin, dass die Tiere sich nicht verletzen können. Auch sie rät zur Verwendung von Tüchern, wie sie auch Laabs empfiehlt. Auffällig ist jedoch die differenziertere Beurteilung bei der Box und die Bedeutung, welche der genauen und möglichst unverfälschten Beobachtung des Verhaltens der Chinchillas beigemessen wird.
Auch bei Jonca geht der Box zuerst ein gesicherter Kontakt vom Arm aus voraus und erst bei freundlicher Reaktion dürfen die Tiere gemeinsam in die Transportbox. Als gute Möglichkeit erachtet sie die Heimfahrt im Auto zur Vergesellschaftung, da die Tiere dann abgelenkt seien. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei auch um eine aus praktischen Gründen etablierte Praxis von Züchtern, die vor Ort die Tiere schon testen, wie sie aufeinander reagieren und dann die Box auf der Rückfahrt nutzen, damit sie sich schon einmal aneinander gewöhnen. Ich würde es daher auch nicht mit den teilweise erwähnten Extraausritte vergleichen wollen, bei denen man mit Chinchillas in Box kurvenreiche und holperige Strassen fahren solle, die möglichst die Tiere noch ängstigen solle, damit sie durch die Angst zusammengeschweisst würden, die Angst so quasi als Ratgeber. Doch eben, davon sind die Ausführungen im Buch weit entfernt. Auch was die Dauer in der Box angeht, gibt es Unterschiede zu Laabs, es heisst zwar mehrere Stunden oder die ganze Nacht, aber kein Wort von mehreren Tagen. Die Autorin äussert sich in ihrem Forum einmal sogar zu diesem Thema und stimmt einer anderen Halterin zu, dass sie mit dem "in die Box stopfen" von Chinchillas über mehrere Tage auch nicht viel anfangen könne.
Auch interessant ist, dass die Autorin darauf hinweist, dass die Box-Methode als Versuch um gescheiterte Vergesellschaftungen zu retten, keineswegs geeignet sei:
Quote:
Sind bisherige Vergesellsachaftungsversuche zweier oder mehrerer Tiere gescheitert und dient die Box-Methode nur einem weiteren Versuch, ist die Gefahr des Nichtverstehens leider um einiges grösser. [...] Die Box-Methode funktioniert in erster Linie bei Tieren, die sich bis dahin vollkommen fremd waren.
Quelle: Ebenda, S. 99
Andere Methoden (S. 92-96)
Durch die direktere Art, wie Jonca die Themen anspricht, könnte der Eindruck entstehen, dass sie das Thema Vergesellschaftung engstirniger ansieht, doch bei genauerem Hinschauen merkt man bei ihr wie auch bei Laabs, dass beide ihre Vorzüge haben und diese auch klar erwähnen, doch Jonca ist nicht nur deutlich ausführlicher (was dank dem Buchumfang auch erst möglich ist), sondern erwähnt durchaus auch weitere wichtige Vergesellschaftungsarten, die bei Laabs unerwähnt bleiben, darunter die Vergesellschaftung im neuen Käfig, welche sie als sehr riskant betrachtet und ähnlich einschätzt wie die VG im Freilauf und die Vergesellschaftung Käfig-an-Käfig, welche sie als Alternative zur Transportbox ansieht. Dies ist natürlich insofern interessant, als dass bei Degus die Vergesellschaftung mit Trenngitter dieser Methode nahe kommt, hier stellt in gewissem Masse das Gitter der beiden nebeneinander stehenden Käfige eine Art Trenngitter dar.
Auch sympatisch ist, dass Jonca bei der Käfig-in-Käfig Vergesellschaftung auf den Stress dieser Methode hinweist, bei dem das Chinchilla im kleinen Käfig, keine Rückzugsmöglichkeiten hat, in dem es sich sicher und unbeobachtet fühlen kann und den anderen Chins im grossen Käfig ausgeliefert sei. Auch problematisch sei, wenn Chinchillas dann von oben auf dem kleinen Käfig stehen und dem darin befindenden Chinchilla drohen.
Wer dennoch diese Methode verwenden wolle, solle darauf achten, dass der kleine Käfig an mindestens drei Seiten geschlossen sei und eine Rückzugsecke biete.
Fazit:
Mir war es anfänglich gar nicht so stark aufgefallen, aber insbesondere auch noch durch die Beiträge von Jonca in ihrem Forum habe ich erkennen können, wie viel an Beobachtung und Feingefühl da trotzdem drin steckt, der Vergleich zu Laabs ist indes riesig. Jonca zeigt für mich, wenn man sich die nötige Zeit nimmt und sich sorgfältig mit ihren Ausführungen, wie sie vergesellschaftet auseinandersetzt, dass eben Transportbox-Methode nicht gleich Transportbox-Methode ist (was jedoch langjährige Forumleser auch von unseren Beiträgen, siehe Links am Anfang dieses Beitrags, wissen dürften, sofern sie sich an die Diskussionen noch erinnern). Man sollte sich hierbei auch nicht vom Ruf, der eine Person sich erworben hat, beirren lassen, denn sicher gehen unsere Meinungen bezüglich Ernährung auseinander, auch war früh das Thema Transportbox hier etwas, das kritisch betrachtet wurde, jedoch offensichtlich nicht wegen solch differenzierten Herangehensweisen wie bei Jonca, sondern wegen vielen Leuten, welche durch fehlendes Verständnis aus der Transportbox eine Foltermethode machten, Vorstellungen wie Angst schweisst zusammen, Aggressionen mit Zwang unterdrücken und mehr hilft auch mehr waren dabei sicher auch treibende Kräfte, die letztlich zu solchen Auswüchsen wie Waschmaschinenritt, tagelange Knastung, die laute Beschallung mit Musik usw. führten.
Bei Laabs habe ich den Eindruck, dass ihr die Erfahrung und das Wissen um das Verhalten der Tiere fehlt oder das ungenügend in diesem Buche zum Ausdruck kommen kann. Ihre Texte wirken denn auch eher oberflächlich, pauschal und geben eher das wieder, was in Foren teilweise an Methoden empfohlen wird, vielleicht hier und da etwas abgeschwächt, doch in einigen Punkten scheinen mir die Ratschläge von Laabs ganz im Gegensatz zu Jonca eher gefährlich denn einer einfühlsamen VG förderlich zu sein, wobei das sicher nicht nur dem knappen Platz angelastet werden darf. Dass zum Beispiel auch die Käfig-an-Käfig Methode fehlt, ist ein weiterer Nachteil.
Insgesamt kann also festgehalten werden, dass es bei der Vergesellschaftung stark auch darauf ankommt, wie diese durchgeführt wird, die Methode dabei ist meistens eher zweitrangig, denn es kommt auch stark darauf an, wie der Halter mit den Tieren während der Vergesellschaftung umgeht, dabei kann auch eine Methode mit kleiner Box/Transportbox "sanft" sein. Was beide Autoren auch erwähnen, dass die Vergesellschaftung im Freilauf schwierig sei, da sich die Tiere aus dem Weg gehen können. Mögen auch da die Meinungen auseinander, ganz von der Hand zu weisen ist dieses Argument nicht und ich persönlich habe auch den Eindruck, dass der Kontakt im Freilauf alleine offenbar in vielen Fällen nicht zielführend ist, wobei wahrscheinlich auch da es darauf ankommt, wie er stattfindet. Bianca zum Beispiel erwähnte gemeinsame Fütterungen im Badezimmer, bei der dann wiederum das Futter zum Anziehungspunkt wird und einen gewissen näheren Kontakt zum Kennenlernen ermöglicht. Der grössere Freiraum ermöglicht aber auch das Beobachten des Verhaltens der Tiere, so dass der Freilauf zum Beispiel auch als eine Art Testmethode angesehen werden könnten, wie Tiere aufeinander reagieren... das sind natürlich nur theoretische Überlegungen, aber ich denke, auch diese sind wichtig und dass sie später auch überprüft werden. Kennen wir besser der Nutzen und die Grenzen einzelner Methoden, können wir sie gezielter und besser auf die individuelle Situation abgestimmt und den jeweiligen Tieren entsprechend verwenden. Wobei auch hier wieder gilt, es sollte weniger die Methode im Mittelpunkt stehen, denn das Tier und wie schon Jonca es erwähnt hatte, auch das Bauchgefühl redet letztlich mit, denn Vergesellschaften ist keine rein berechenbare Sache, sondern auch eine Herzensangelegenheit, bei der es um Sympathien und Abneigungen geht, die je nach Tiere sehr unterschiedlich sein können. Und auch die Erfahrungen der Tiere und wie sie lernen damit umzugehen, spielen eine Rolle. Manchmal braucht ein Tier auch Zeit und positive Erfahrungen, um mit einer neuen Situation lernen zurechtzukommen. Auch da erfordert die Individualität, dass wir Halter auf unsere Tiere eingehen können, denn Tiere sind keine Maschinen und sind manchmal wie auch wir ziemlich kompliziert und brauchen dann jemand, der auf sie eingehen kann.Statistik: Verfasst von davX — 01.02.2013, 02:21
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